Die Verantwortung der Deutschen, noch ein Ausschnitt
Von Ariane Mostafa
Die Deutschen haben bei dem Thema Palästina und Israel eine spezielle Verantwortung, die sie nicht wahrnehmen. Die Deutschen sind das dritte Mal an einem Genozid beteiligt: 1904 bis 1908 in Namibia durch die Ermordung von 60.000 OvaHerereo und 10.000 Nama (der erst 2015 erstmalig als Völkermord anerkannt worden ist), dann der Holocaust an 6 Millionen Jüdinnen*Juden und seit 19 Monaten durch die Beihilfe zum Genozid an der palästinensischen Bevölkerung. Anstatt entsprechende Verantwortung zu übernehmen und die Wahrheit überhaupt erst einmal zu sehen und zu benennen, blamierte man sich lieber schon immer gerne im Umgang mit den eigenen, angerichteten Grausamkeiten. Und das im Land der Dichter und Denker?
Der Holocaust an den Jüdinnen*Juden ist mit dem unerträglichen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung eng verbunden. Nach dem Holocaust ist man nicht in angemessener Form mit den Opfern umgegangen und die Folgen zeigen sich bis heute. Die Deutschen haben nicht genügend Verantwortung für die Opfer übernommen. Es gab und gibt lächerlich wenig an Wiedergutmachung, zumal sich diese nicht nur in Geldzahlungen (die dann auch noch durch zu viel Bürokratie einen demütigenden Beigeschmack hatten), ein paar Mahnmalen und Kranzniederlegungen zeigen darf. Man kam nicht auf die Idee und hat die einmalige Chance verpasst mit den Jüdinnen*Juden, Sinti und Roma, den Homosexuellen und allen anderen Opfern ein neues, ein besseres Deutschland, ein neues, ein besseres Europa wiederaufzubauen, gleichberechtigt, Seite an Seite. Dazu hatte man lieber übelste, bereits verurteilte Nazis aus den Gefängnissen für den Wiederaufbau Deutschlands geholt, nachdem die Nürnberger Prozesse abgebrochen worden waren, da der kalte Krieg dringlicher erschien. Wie zynisch. War man am Ende vielleicht sogar ganz froh, dass man sich nicht mit den schwer traumatisierten Jüdinnen*Juden auseinandersetzen musste? Doch genau das hätte man tun müssen.
Der Holocaust war so grausam, dass dafür erst Worte erfunden werden müssten, um ihn beschreiben zu können und er hat einen extrem langen Schatten. Die Ähnlichkeiten der Zionisten, bzw. der rechtsextremen israelischen Regierung, der radikalen Siedler und der israelischen Armee mit den Nazis kann man nicht übersehen. Das Trauma des Holocausts ist von diesen Israelis, denn man kann logischerweise nicht alle Israelis über einen Kamm scheren, von Generation zu Generation auf einem gewalterzeugenden Weg weitergereicht und nicht aufgelöst worden, ein transgenerationales Trauma. (Dies soll und darf keine Entschuldigung für deren grausige Verbrechen sein.) Es gibt unzählige bestialische Grausamkeiten an der palästinensischen Bevölkerung, die unweigerlich an die bestialischen Grausamkeiten der Nazis an den Jüdinnen*Juden und den anderen Opfern des Holocausts erinnern. Ein israelischer Soldat hat es in einem Beitrag der israelischen Zeitung Haaretz vom 23. Dezember 2024 mit dem Titel: "'When you leave Israel and enter Gaza, you are God': Inside the minds of IDF soldiers who commit war crimes", von Yoel Elizur, in dem über die Gräueltaten der israelischen Armee an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza berichtet wird, so ausgedrückt: "I felt like, like, like a Nazi ... it looked exactly like we were actually the Nazis and they were the Jews." - "Ich fühlte mich wie ein Nazi ... es sah genau so aus, als wären wir die Nazis und sie die Juden."
Die Deutschen sind sicherlich durch ein tiefsitzendes Schuldgefühl befangen und gefangen. Doch wie sieht dieses Schuldgefühl aus, wenn es dazu führt, Beihilfe zum Genozid an der palästinensischen Bevölkerung zu leisten und sich in keiner Weise für das Leid und den Tod der Palästinenser*innen verantwortlich und schuldig zu fühlen, die für eine fremde Schuld, für die Schuld der Deutschen bezahlen. Das kann und darf nicht sein. Mit anderen Worten: Wenn sich jemand dadurch zum Massenmörder entwickelt hat, weil man zuvor an ihm bzw. seinem Volk einen Holocaust verbrochen hat, kann man ihm nicht für seine Morde auch noch die Waffen in die Hand drücken. Das Thema Schuld hat hier offenbar einen absurden und grausigen Weg eingeschlagen. Das geschieht, wenn nach dem Schuldigwerden das dazugehörige Verantwortungsbewusstsein fehlt und sich nicht in angemessener Form entwickelt hat. In diesem Fall letztlich auch eine Form von Antisemitismus. Jemanden, der sich auf grausamste Abwege begeben hat, muss man stoppen. Auch das ist Verantwortung. Vor allem, wenn man diese grausigen Abwege auch noch selbst ausgelöst hat und diese katastrophale Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Gräueltaten inklusive Genozid beinhalten. Man macht sich in Deutschland lieber lächerlich, indem man diskutiert, ob das nun ein Genozid sei oder nicht, obwohl die Fakten eindeutig für sich sprechen und man lieber prüfen sollte, ob nicht inzwischen die Bezeichnung Holocaust zutreffender ist. Nächste Woche Dienstag fliegt man dann auch noch peinlicher- und schockierenderweise zum Kuscheln mit Kriegsverbrechern nach Israel.
Gegenüber den Opfern der Opfer, der palästinensischen Bevölkerung müssen sich die Deutschen gleich mehrfach schuldig und verantwortlich fühlen: Zum einen weil sie komplett unschuldig die durch das Trauma des Holocausts ausgelöste Gewalttätigkeit und Gräueltaten der Israelis seit 1948 abbekommen, dann weil ihnen durch die vom Holocaust radikalisierten Zionisten durch ethnische Säuberung ein Großteil ihres Landes geraubt worden ist und immer weiter geraubt wird, ebenfalls wegen der seit jeher uneingeschränkten Unterstützung Israels, egal welche Kriegsverbrechren und welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der palästinensischen Bevölkerung begangen werden und worden sind und zudem durch die Waffenlieferungen an den Apartheidstaat Israel, (die sich beispielsweise im Jahr 2023 hauptsächlich in der zweiten Jahreshälfte und nach dem 7. Oktober verzehnfachten), und der seit 19 Monaten somit stattfindenden Beihilfe zum Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung. Anstelle dessen wurde und wird die Realität bis zur Unkenntlichkeit verdreht, es wird bis heute gelogen und die Nakba und die seitdem stattfindende ethnische Säuberung und der Genozid an der palästinensischen Bevölkerung wurden und wird inklusive unfassbarer Gräueltaten und Folter einfach heruntergespielt, geleugnet und/oder verschwiegen.
Ja und dann sind da noch all die ganz normalen Bürger*innen, die sogar in Zeiten von Internet wegschauen und sich nicht regen. Da sind sie wieder, die, die maßgeblich die Geschichte mitentscheiden, wenn nicht sogar entscheiden: die Mitläufer*innen, die Schweigsamen, die Bequemen. Warum schaffen sie es wieder nicht, sich so wie viele Jüdinnen*Juden und Holocaustüberlebende weltweit gegen diesen Genozid und für ein: Nie wieder ist jetzt FÜR ALLE! einzusetzen? Was wollen sie ihren Kindern oder Enkeln einmal erzählen, wenn sie genau das gefragt werden?
Und wenn es irgendwann salonfähig geworden ist, der Wahrheit eine Daseinsberechtigung bei diesem Thema zu verleihen, geschieht dies natürlich viel zu spät, doch es werden dann trotzdem schnell alle ihr Fähnchen nach dem Winde hängen. Eine weitverbreitete Verhaltensweise: das Fähnchen nach dem Winde hängen, egal aus welcher Richtung er bläst.
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